Krieg und Russland-Sanktionen: Auswirkungen auf finnische Wirtschaft

17.03.2022

Der Angriff des Putin-Regimes auf die Ukraine hat auch Folgen für die finnische Wirtschaft. In diesem Artikel fassen wir für Sie verschiedene finnische Quellen zusammen, vor allem eine detaillierte Analyse der finnischen Nationalbank (Suomen pankki) vom 11.03.22, sowie Zeitungsartikel, Zahlen des finnischen Statistikamtes sowie des finnischen Zolls.

Inhalte:

  1. Welche konkreten Auswirkungen auf den Handel mit Russland sind sichtbar?
  2. Wie wird sich das finnische Wirtschaftswachstum entwickeln?
  3. Mit welchen Folgen für die russische Wirtschaft rechnet Finnland?
  4. Anteil Russlands an den finnischen Exporten – und Art der Güter
  5. Anteil Russlands an finnischen Importen – und Art der Güter
  6. Welche Auswirkungen erwartet Finnland auf den Energiemärkten

 

1. Welche konkreten Auswirkungen auf den Handel mit Russland sind sichtbar?

Etwa 2.200 finnische Unternehmen exportieren Waren nach Russland. Die Exportbeschränkungen als Teil der Sanktionen wirken sich direkt auf die Exporte von etwa 500 dieser Unternehmen aus. Der schwächelnde Rubel und Sanktionen gegen russische Banken schränken den Außenhandel mit russischen Unternehmen zusätzlich ein.

Viele finnische Unternehmen haben angekündigt, den Handel mit Russland oder ihre Tätigkeit in Russland einzustellen. Ein vollständiges Beenden der Russlandgeschäfte könnte grössere wirtschaftliche Auswirkungen haben als Sanktionen und Exportbeschränkungen.

Trotz des starken Einbruchs der finnischen Russlandexporte scheinen die Importe aus Russland noch kaum betroffen zu sein. Darauf weist ein hoher Beamter des finnischen Zolls, Sami Rakshit, Direktor der Zollkontrolle, in der finnischen Tageszeitung Helsingin Sanomat (8.3.22) hin: „Nach den uns vorliegenden Ausfuhranmeldungen sind die Warenexporte in den letzten Tagen um mehr als 50 Prozent eingebrochen. Importe sind mehr oder weniger gleich. Um es ganz klar auszudrücken, kann man sagen, leere Lastwagen fahren nach Russland und volle Lastwagen kommen zurück“.

2. Wie wird sich das finnische Wirtschaftswachstum entwickeln?

Das Wirtschaftswachstum in Finnland wird sich in diesem Jahr auf 0,5 bis 2 Prozent verlangsamen, schätzt die finnische Nationalbank. Die bisherige Prognose lag bei 2,6 Prozent. Deutlich steigende Preise könnten die Inflation in Finnland in diesem Jahr auf 4–5 % beschleunigen, hauptsächlich aufgrund höherer Energie- und Rohstoffpreise. Als weitere Folge könnten die öffentlichen Finanzen unter der sich verschlechternden gesamtwirtschaftlichen Lage leiden. Unsicherheiten bei Unternehmen und Konsumenten wirken sich negativ auf das Wirtschaftswachstum aus, zudem leiden Konsum und Investitionen unter steigenden Preisen.

Der Krieg wird sich auch indirekt auf Finnlands Außenhandel auswirken, indem er die Exportnachfrage in der Eurozone zumindest kurzfristig schwächt. Darüber hinaus dürften Sanktionen und Gegensanktionen internationale Produktionsketten und den Zugang zu Rohstoffen stören. Laut Umfragen der finnischen Zentralhandelskammer (4.3.2022) und des Industrieverbandes EK (3.3.2022), die nach Beginn des Krieges in der Ukraine veröffentlicht wurden, erwarten eine Vielzahl finnischer Unternehmen erhebliche Auswirkungen bei Exportaussichten, Zahlungsstörungen und Zugang zu Rohstoffen als Folgen des Krieges und der Sanktionen gegen Russland.

3. Mit welchen Folgen für die russische Wirtschaft rechnet Finnland?

Laut finnischer Nationalbank werden Russlands Bruttoinlandsprodukt, sowie Exporte und Importe sehr stark schrumpfen. Enorme Unsicherheiten und Zahlungs- und Transportbeschränkungen haben bereits zu einer Verlangsamung der russischen Exporte geführt. Im Jahr 2021 machten Russlands Exporteinnahmen 35 % des Bruttoinlandsproduktes aus. Der russische Exportanteil von Öl und Gas liegt bei 45 %. Die Vereinigten Staaten und das Vereinigte Königreich haben bereits beschlossen, Importe zu verbieten, und die EU diskutiert auch die Verhängung von Sanktionen gegen Russlands Energie. Europa möchte sich als Folge des Krieges nun unter anderem aus der Abhängigkeit von russischer Energie befreien. Dies würde in Russland eine Wirtschaftskrise auslösen, so die Erwartung der finnischen Nationalbank. Beschränkungen des Kapitalverkehrs und die massive Abwanderung ausländischer Unternehmen würden zu einem sinkenden Lebensstandard führen und zu einem starken Rückgang der Investitionen. Schätzungen zufolge könnte die russische Wirtschaft in diesem Jahr um etwa 10 Prozent schrumpfen, und der Wert der russischen Importe dürfte um etwa 50 Prozent einbrechen.

4. Anteil Russlands an den finnischen Exporten – und Art der Güter

Der Anteil Russlands am Wert der finnischen Warenausfuhren betrug im Jahr 2021 etwa 5,5 Prozent, d.h. 3,9 Milliarden Euro bei Gesamtausfuhren von 70,5 Milliarden Euro. Seit 2015 liegt der Anteil in etwa auf dem gleichen Niveau. 2021 war Russland Finnlands fünftgrößtes Exportland. Finnlands Exporte nach Russland sind größtenteils Industrieprodukte und Investitionsgüter. Im Jahr 2021 waren ein Fünftel der Exporte nach Russland Maschinen und Anlagen. Weniger als ein Zehntel der gesamten Maschinen- und Ausrüstungsexporte Finnlands gingen nach Russland. Metalle und Metallprodukte, insbesondere Kupfer, werden in großen Mengen exportiert, etwa ein Fünftel des exportierten Kupfers geht nach Russland. Auch Papier und Pappe sowie chemische Produkte machen einen großen Teil der Exporte nach Russland aus. Nach Schätzungen des finnischen Zolls sind 6,9 % der finnischen Warenausfuhren nach Russland von den Ausfuhrsanktionen betroffen. Etwa zwei Drittel der Auswirkungen der Sanktionen betreffen den Export von Maschinen und Ausrüstungen.

Branchen, die recht stark von russischen Exporten abhängig sind, sind Einzelhandel, Reparatur, Wartung und Installation von Maschinen und Ausrüstungen sowie Lager- und Transportdienstleistungen. Wichtige Exportgüter sind auch chemische Produkte. Dienstleistungen machten im vergangenen Jahr 11 % der Exporte aus.

5. Anteil Russlands an finnischen Importen – und Art der Güter

Der Anteil Russlands an den gesamten Wareneinfuhren Finnlands schwankt seit 2014 zwischen 10 und 13 Prozent. Der Wert der Warenimporte aus Russland belief sich im Jahr 2021 auf 7,9 Mrd. Euro, Russland war damit Finnlands drittgrößtes Importland bei Warenimporten. Bedeutend sind vor allem Energieprodukte und Nickel.

Rohöl und raffinierte Erdölprodukte machen den Hauptanteil der russischen Importe nach Finnland aus. Auch der Handel mit Erzen und Konzentraten wie Nickel ist wichtig. Beim Import von Energieprodukten hat Finnlands Abhängigkeit von Russland zugenommen, sie hatte sich jedoch im letzten Jahrzehnt deutlich verringert. 70 % des Gases wurden 2021 aus Russland importiert, mehr als die Hälfte des Rohöls und der Erdölprodukte sowie etwa ein Drittel der Kohle und des Stroms stammen aus russischen Quellen.

Branchen mit einem hohen Anteil an russischen Importen sind die Strom-, Gas- und Wärmeversorgung, die Metallverarbeitung und die Forstindustrie. Zusammen machen diese Branchen weniger als 5 % der Wertschöpfung in Finnland aus. In der chemischen Industrie und bei der Herstellung von Gummi- und Kunststoffprodukten spielen Importe auch bei Zwischenprodukten eine wichtige Rolle, gleichzeitig machen die Importe aus Russland mehr als ein Zehntel aller Importe der Branche aus.

6. Welche Auswirkungen erwartet Finnland auf den Energiemärkten?

Die seit Herbst 2021 steigenden Energie- und Rohstoffpreise sind seit dem Krieg noch stärker gestiegen. Die Szenarien gehen davon aus, dass Finnland den Import von Rohöl aus Russland vermeiden wird, also verwenden sie Annahmen in Bezug auf die Brent-Qualität. Der Ölpreis der Sorte Brent ist seit Ausbruch des Krieges von etwa 95 Dollar auf etwa 125 Dollar gestiegen.

Auf dem Energiemarkt schwankten die Preise in den letzten Wochen stark, was die hohe Marktunsicherheit widerspiegelt. Die Entwicklung der Energiepreise hängt nun wesentlich davon ab, inwieweit die Nutzung von russischem Öl und Erdgas im Westen letztlich zurückgeht. Dies wiederum wird davon beeinflusst, wie Europa Energieimporte aus Russland aus anderen Märkten ersetzen kann und ob die europäischen Länder auch die Importe von russischem Öl und Erdgas einschränken werden. Obwohl die Sanktionen gegen EU-Länder (noch) nicht direkt auf den Energiesektor abzielen, haben mehrere Länder und Unternehmen bereits versucht, das in Russland gekaufte Öl anderswo zu ersetzen. Viele Unternehmen haben ihre Geschäfte mit russischen Firmen und Banken eingestellt, und Versicherungsunternehmen zögern, den Öl- und Rohstoffhandel mit Russland zu finanzieren und zu versichern.

Quelle: Finnische Nationalbank (Suomen pankki)